28.11.2017 - Broad Peak, 8047 m, Falchen Kangri

Von: Toni


Balti Porter auf Godwin Austen Glacier

auf Camp 1 in 5700 m

rot - C1, grün - C2, gelb - C3

Jousf HAP (high altitude Porter )

Toni in C2 auf 6200 m

K2 vom C2

oberhalb C3 auf ca. 7350 m

Camp 3 auf 7150 m

Falchen Kangri  - 8047 m - Broad Peak

 

Im letzten Sommer flog Expeditions Bergsteiger Toni Spirig nach Pakistan, um dort auf Berge zu steigen. Doch Pakistan zählt nicht zu den Traumdestinationen, zu unsicher ist dort die Lage. Einerseits schrecken Negativschlagzeilen von Attentaten der Taliban, Unruhen und Demonstrationen ab. Andererseits stehen da einige der höchsten Berge der Erde. Diese Berge finden sich im Karakorum und Himalaya Gebirge und erheben sich hinauf zu atemberaubenden Höhen. Eine Bergwelt, die noch mit echten Abenteuern lockt. Toni Spirig aus Celerina berichtet:

Unser fünfköpfiges Team am Berg bestand aus erfahrenen Höhenbergsteigern unter der Leitung von Oscar Cadiach, einem bekennenden Katalanen. Seine Erstbesteigung im 1992 durch die Ostwand am Broad Peak führte in «nur» auf den 8006 m hohen Mittelgipfel. Der Hauptgipfel ist noch etwas höher, somit zählt seine Leistung nicht zur Liste der 14 Achttausender der Erde. Er musste also nochmal ran, um den höchsten Gipfel zu besteigen. Erst mit dem höchsten Gipfel des Broad Peak kann er seine Liste der bestiegenen 14 Achttausender abzuschliessen.

Es ist Ramadan, die Fastenzeit gläubiger Moslems. Tagsüber darf nicht gegessen und pro Tag muss fünf Mal gebetet werden. Für Gläubige auf Reisen gibt es Ausnahmen. Unsere Träger aus den hochgelegenen Dörfern Baltistans dürfen demnach tagsüber essen. Müssen sie auch, denn Sie tragen Lasten von bis zu 25 kg, zusätzlich tragen sie noch ihre wenigen warmen Sachen. Sie nächtigen in kleinen Gruppen im Schutz einer runden Mauer aus Steinblöcken

über das sie eine Plastikplane gespannt haben. Darin werden die Chapattis gebacken und auch geschlafen. Auf den steinigen Boden legen sie ihre Decken oder auch mal einen Karton. Das muss genügen. Mich beeindruckt das, denn dies sind die wirklich harten Typen im Expeditionsbergsteigen! Daneben komme ich mir mit all den warmen Sachen vor wie ein

verwöhntes «Büebli» aus dem reichen Westen. Sie geben sich völlig anspruchslos und bescheiden. Wir haben Träger für unsere Lasten gesucht, gefunden haben wir herzliche, gutmütige Menschen.

Unser Basislager liegt auf 4900 m am Fusse der höchsten Berge auf dem Godwin Austen Gletscher. Einer davon ist unser Berg, der Broad Peak, oder Falchen Kangri, wie ihn die Einheimischen auch nennen. Daneben steht der K2, der zweithöchste Berg der Erde. Der perfekte Berg, gewaltig und imponierend. Hier auf dem Gletscherstrom verbringe ich ganze vier Wochen. Erlebe täglich vier Jahreszeiten, von eisiger Kälte zu drückender Hitze im Zelt unter stechender Sonne reichend, abgelöst von feuchtkalter Nässe bei Schneefall und kühlenden Gletscherwinden

Das Basislager liegt höher als der höchste Berg der Alpen, doch erst hier beginnt unsere Besteigung, die uns zunehmend atemlos macht. In den steilen Flanken oberhalb des Basislagers errichten wir unsere Hochlager: Camp 1 auf 5700 m, Camp 2 auf 6200 m und Camp 3 auf 7200 m. Mit Fixseilen werden die Steilhänge versichert, so können wir uns relativ gefahrlos am Berg bewegen.

Die Arbeit am Berg besteht aus Lasten hochtragen für die Lager, gleichzeitig können sich unsere Körper an die dünne Höhenluft gewöhnen und akklimatisieren.

Eine Nacht auf Camp 2 werde ich wohl nie mehr vergessen:

Wir sind zu dritt im Zelt des Japaners. Doch für uns Europäer ist zu eng, sodass ich in ein unbelegtes Zelt umziehe. Draussen braut sich ein Unwetter zusammen, es beginnt mit Schneefall, eisige Windböen an meiner Behausung. Gegen Morgen artet das in einen Sturm aus. Das dünne Nylon des Zeltes knattert und die Zeltstangen heben unter den Böen vom Boden ab. Damit auch der Zeltboden, er neigt sich bedrohlich gegen den Abgrund. Wie gut sind die beiden hangseitigen Verankerungen? Werden sie das weiter aushalten? Falls das Zelt mit mir davonfliegen würde, hätte ich keine Chance!

Ich muss handeln und zwar sofort. Vorsichtig schlüpfe ich aus dem warmen Schlafsack und kleide mich an. Da bemerke ich, dass bereits eine Verankerung nachgegeben hat, sogleich stemme ich den vollen Rucksack gegen diese Ecke und warte auf ein Nachlassen der ärgsten

Böen, um aus dem wild gewordenen Zelt abzuhauen. Draussen erwartet mich ein Bombardement aus aufgepeitschten Eiskristallen. Ein Nachbarzelt war geborsten

und flatterte wild unter den Sturmböen.

Was tun? Ich hätte schneebeladen wie ich nun war ins enge Zelt meiner Kollegen reinkriechen können, oder entlang der Fixseile abseilen. Mit abseilen gelangte ich bald in ruhigere Zonen, dann nach 1300 HM oder über 2 km entlang der Fixseile war ich wieder unten, schon fast in der Komfortzone des Basislagers.

Hätte nicht erwartet, dass ich hier nochmals Bergabenteuer wie in den wilden 80ern erlebe, glaubte mich schon zu alt dafür. Damals bei der Erstbesteigung des Kanjut Sar II, rund 100 km von hier entfernt, erlebte ich die wirklich grossen Abenteuer meines Lebens. Eine Lawine überraschte uns im Hochlager in der Südwand am Kanjut Sar I auf 5600 m. Unsere Ausrüstung wurde mit in die Tiefe gerissen. Wir kämpften mit einer dramatischen, nächtlichen Abseilaktion uns vom Berg runter, und brachten uns aus der Gefahrenzone. Wenige Tage später bestiegen wir als Erste den Kanjut Sar II mit seinen 6831 m Höhe. Das war echt cool damals.

Wir hätten ein Schönwetter-Fenster gebraucht, um vom letzten Hochlager auf den Gipfel zu gelangen. Leider kam dieses Wetterfenster erst, neun Tage nach meiner Abreise. Meine beiden Kollegen, welche noch im Basislager ausharrten, konnten da den Gipfel erreichen. Für mich hat es diesmal leider nicht gereicht, meine Zeit war einfach zu kurz bemessen.

Immerhin konnte ich sie von den obersten Lagern aus sehen, die Kanjut Sar Berge, Ein schönes Wiedersehen nach 32 Jahren!

Oft werde ich danach gefragt, wieso ich all die Entbehrungen und Schindereien einer Bergsteiger Expedition auf mich nehme, nur um irgendwo auf einen Berg zu steigen. Die meisten Leute würden sowas gar nicht schätzen. Doch als Strapazi habe ich auf meinen Expeditionen gelernt durchzubeissen, ich kann das!

 

 

 

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Die Expedition habe ich in packenden Bildern und Filmsequenzen festgehalten.

Ein Multimedia-Vortrag von Toni Spirig, vorgesehen am 2. Dez. 2017 um 20.00 Uhr im Gemeindesaal Celerina, bietet Gelegenheit diese unbekannte Bergwelt kennenzulernen.