30.12.2013 - Ostereiersuche und Heliskiing am Piz Grevasalvas

Von: Alain Hauser


Der Autor am Gipfel des Piz Grevasalvas

Was zum Teufel macht den Erfolg des "Blick am Abend" aus? Sarkasmus liegt mir ferner als alles andere, so dass ich den Begriff des "Qualitätsjournalismus" jetzt nicht bemühen werde. An der Kostenlosigkeit allein kann es auch nicht liegen: meine Blog-Einträge sind doch auch gratis und finden trotzdem keine Resonanz. Relevanz der Themen? Nun ja, sicher nicht zu unterschätzen, aber was kann ich denn dafür, dass mir Toni stets aufträgt, über irgendwelche langweiligen Touren zu faseln, auf denen sich, obwohl in unmittelbarer Nähe von St. Moritz, weder Promis tummeln noch sex and crime abspielt?! Das Volk will durch Sensationen aus seinem repetitiven Alltag herausgerissen werden, will sich ergötzen an Freud und Leid anderer; panem et circenses, vor allem circenses, wie zu Ciceros Zeiten. Also: versuchen wir's zur Abwechslung mit einem packenden Start (ich weiss, der Start müsste am Anfang stehen):

Drama am Piz Grevasalvas!! Lawinenschaufeln und Sondierstangen kommen zum Einsatz! Helikopter-Einsatz notwendig!

Dabei hat alles ganz harmlos angefangen. Mit einem gemütlichen Trott durch den verschneiten Wald bei Plaun da Lej, hoch zum verschlafenen und tief eingeschneiten Weiler Grevasalvas. Ein paar hundert Höhenmeter weiter oben haben wir nahe zu den Spurern aufgeschlossen, bald hat sie Toni durch etwas geschicktere Routenwahl überholt. Vor dem Lej Nair folgen steilere Hänge; wegen der erheblichen Lawinengefahr gehen wir in grossen Abständen. Grosse Abstände implizieren für die hintersten längere Wartezeiten, die für gemütliches Teetrinken und den Genuss der Aussicht ebenso wie für hemmungsloses Flirten genutzt werden (Details lasse ich aus Gründen der Diskretion weg).

Kurz vor dem Gipfel schert Paolo plötzlich aus und spurtet zum Pässchen vor der Motta Radonda; kurz darauf schwebt ein Helikopter heran, wirbelt Schnee auf, lädt Paolo ein und knattert in Richtung Tal davon. Gütiger Himmel, was ist denn da los?! Besonders verletzt wirkte Paolo nicht, und dass er sich vor der Abfahrt durch die Pulverhänge so fürchtet, dass er eine Blockierung vorgetäuscht hat, kann ich mir schwer vorstellen. Auf dem Gipfel meint Toni lapidar, Paolo habe heute Pikett. Pikett auf Skitour?! Gutes Leben als Rega-Arzt…

Die obersten 300 Höhenmeter der Abfahrt zaubern immer wieder diese Geräusche unter den Skiern hervor, die einen an die Schulzeit erinnern, als der Lehrer mit der Kreide über die Wandtafel gekratzt hat, bis sie plötzlich abbrach und dann der Fingernagel… Item, jedenfalls zeigt es sich einmal mehr, dass man den Belag der Skier nicht vor der Saisonmitte erneuern sollte. Weiter unten können wir dann durch schönen Pulverschnee kurven, festgehalten von den zwei Kameras auf Lorenzos Helm: Google Mountain View on tour.

Den Steilhang unter dem Lej Nair queren wir einzeln. Hubi holt mächtig Anlauf für den nachfolgenden Gegenanstieg, rast runter – und verliert den ganzen Schwung ausgerechnet an der tiefsten Stelle bei einem Taucher. Gepudert taucht er wieder auf und jammert, er finde den einen Ski nicht mehr. Ganz leise meldet sich ein klitzekleiner Rest guter Erziehung und entschuldigt sich bei der Schadenfreude, meint aber, man müsse dem Armen wohl doch zu Hilfe eilen. Grummlig stehen wir so am Ende zu viert unter dem einzigen Steilhang der ganzen Tour und stochern mit den Lawinensonden Hubis angebliche Abfahrtsspur ab, während Toni mit dem Rest der Gruppe aus sicherer Entfernung zuschaut – und Marend isst. Als wir schliesslich mit den Schaufeln mehrere Kubikmeter Schnee verfrachtet haben und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem Ski am Schwinden ist, kommt der Verlorengeglaubte wieder zum Vorschein. Zwei Meter über der von Hubi steif und fest behaupteten Abfahrtsspur.

In der Zwischenzeit knattert ein Helikopter über uns hinweg. Wenig später – taucht Paolo grinsend wieder auf. Offenbar werden Rega-Einsätze dort beendet, wo sie angetreten wurden?! Paolo jedenfalls hatte auf dem Rückflug beste Gelegenheit, die Hänge schon mal von oben zu erkunden, und so stieben wir auf noch unberührten Pulverhängen Plaun da Lej entgegen. So geht das!