20.09.2025 - Pizzo di Zocca - abseits vom Mainstream

Von: Melanie von Burg


Allievi - Pericolante

Gourmet Menue mit Stocki vom Starkoch

Gipfel-Aussicht nach Albigna

Die Autorin am Westgipfel

Im Abstieg über WSW-Grat

Routen am Passo di Zocca, rot = Abstieg

am See entlang

Man hat gar nicht mehr daran geglaubt. Und dann plötzlich tut sich tatschlich noch ein richtig tolles Wetterfenster auf und Toni kann seine Pendenzen abarbeiten. Seit dem Frühling schwirrt der Zocca in seiner Planung rum und wenn man aus dem Fenster schaut, war es wohl für dieses Jahr auch die allerletzte Gelegenheit.

Am Freitag früh geht es los, die Stimmung ist gut. Wir sitzen in der Albignabahn, wie so oft schon in diesem Sommer. Daher ist auch das folgende Gespräch zwischen den Männern Routine für mich. Kaum schliessen sich die Türen geht das grosse Jammern los. Wie schwierig sie es haben mit uns Frauen und überhaupt und sowieso. Aber sobald sie oben aussteigen, werden sie wieder normal. Scheint irgendeine komische Energie zu sein in dieser Gondel?!

Der Plan ist an der Westseite des Sees hin und am Sonntag auf der Ostseite zurück zu gehen. Wir schlagen den Weg Richtung Caciabellapass ein. Die Rucksäcke sind schwer, die Sonne heiss. Irgendwann auf der Höhe von 2600müm Beginnt die Suche nach dem Abzweiger Richtung Passo di Zocca. Auch als Späherin kann ich keine steinigen Männer ausfindig machen. Toni erinnert sich an einen Weg, wir gehen etwas runter, finden dann auch 2 Steinmänner, das war’s dann aber auch schon. Also wieder hoch, etwas queren und dann geht’s weiter. Die Brücke sehen wir von weit oben, dahin wollen wir. So genau, wo wir laufen weiss ich auch nicht, aber das passt schon. Wir finden auch einen alten Wegweiser, von einer Gerölllawine an den Boden gedrückt, kein Buchstabe mehr zu erkennen und verrostet – wir sind also richtig! Nach weiterer Steinhüpferei und Krabbelei sind wir tatsächlich an der Brücke. Naja, das war sie wohl mal. Wir kommen zum Schluss, dass der Weg wegen eines Ereignisses wohl «abgeräumt» wurde. Also geht’s der linken Flussseite nach weiter. Der Gletscher ist mit Split super präpariert und wir kommen gefühlt wieder vorwärts. Für auf den Pass ist dann leichte Kletterei angesagt. Meine Spannung steigt, wie es wohl auf der anderen Seite aussieht. Und dann stehen wir oben, sehen wieder grün und die Hütte – ein toller Ausblick.

Auf der Hütte angekommen legen wir uns, die Matratzen und Wolldecken erst mal alle gemütlich in die Sonne. Chillen ist angesagt. Doch plötzlich wird die Sonne verdeckt. Was ist denn das??? Martin und Toni schütteln die Decken, eine riiiesige ungesunde Staubwolke umgibt das halbe Tal. Starkoch Toni füllt unsere Bäuche mit Gemüsesuppe (ohne Pilze!), Stocki und Bratensauce – ein Gedicht und ich strahle über meinem warmen Abendessen. (War doch mein Rucksack auch so schwer, da meine grösste Sorge war, Hunger leiden zu müssen…).

Am nächsten Morgen geht es früh mit Stirnlampen los Richtung Pizzo di Zocca. Wir wollen den WSW-Grat klettern. Als wir den Sentiero Roma bei erstem Tageslicht verlassen sind auch hier weit und breit keine Steinmännchen auszumachen. Das letzte Stückchen Gletscher das noch liegt ist pickelhart. Martin hat wie immer alles dabei und macht mir mit Steigeisen und Pickel in Schwerstarbeit schöne Trittchen. Ich fühl mich so semi-wohl und Toni ist dankbar seine abgehangenen Schuhe mit Profil zu tragen – so denke ich zumindest…

Das Einstiegscouloir erweist sich als bröcklig und steinschlägig und wir dürfen uns durch Wasserrinnen hocharbeiten. Ab der Bocchetta di Zocca beginnt die Gratkletterei. Der Fels ist wieder fester, aber auch hier gibt es immer wieder Stücke, die lieber mit einem mitkommen möchten statt da zu bleiben, wo sie hingehören. Nach 8 Stunden erreichen wir den Westgipfel und finden einen super Stand an einem grossen aber losen Stein mit unglaublicher Aussicht über all die Grossen. Toni und Martin können in Erinnerungen an Besteigungen schwelgen. Zum Hauptgipfel ist es noch ein rechtes Stück, nochmals abseilen, aufklettern. Wir entscheiden uns angesichts der Zeit für den Rückweg. Nach einer Stärkung geht es am kurzen oder laufenden Seil mit Martin voran wieder weiter. Er erinnert sich an die Stellen der Sicherungen (die Route selber ist jedoch ab und zu etwas verwirrend und Toni diesbezüglich tiefenentspannt), das Schlingeli über dem Zäpfli erweist sich erneut als sehr dienlich. Etwas später, wartend auf Material, kommt ein blutender Toni um die Ecke. «Erschreckt euch nicht, mir ist ein Stein auf die Hand gefallen». Ein kurzer Blick der Fachfrau ergibt keinen dringenden Handlungsbedarf. Dennoch hätte er gerne meine fachliche Meinung zur späteren Versorgung der Wunde. Als Oberstrapazi hat er jedoch mehr Erfahrung als ich und verwirft meinen Vorschlag sofort.

Weiter geht’s, wir freuen uns alle sehr auf den Abstieg im Couloir. Dieser ist dann auch wie erwartet. Glücklicherweise fliegen die Steine millimeterweise an unten Gehenden vorbei und wir erreichen das Firnfeld, welches wenigstens etwas angewärmt und weicher geworden ist.

Auf den letzten Kilometern mit Stirnlampe erreichen wir gesund und nur minimal verletzt die Hütte. Nach stärkender Militär-Mahlzeit darf ich dann sogar eine Bandage an Tonis Hand anbringen. Voller Vertrauen hat er sie mir entgegengestreckt – aber nur, damit das Bett nicht blutig wird.

Am nächsten Morgen sind ein paar Wölkchen am Himmel, am Pass stehen wir in kaltem Nebel und gehen zügig weiter. Wir finden eine andere Abstiegsroute durch einen engen Kamin und sind bald wieder auf dem Gletscher. Toni zu folgen ist heute ganz leicht, sehen wir doch, ähnlich einer chinesischen Reisegruppe, immer seine linke Hand hoch im Himmel (Hochlagerung zur Verringerung der Schwellung). Unkompliziert erreichen wir den weiss-blau-weiss Wanderweg entlang des östlichen Seeufers. Ich erfreue mich nach den Tagen im Geröll den grünen Pflänzchen und dem Blick über den See.

Eine unvergessliche Tour und das halbe Kilo Pumpernickel hab ich natürlich wieder runtergeschleppt…